Im Zuge der Umstellung von Rahmenrichtlinien auf Kerncurricula durch die schwarz/gelbe Landesregierung Mitte der 2000er Jahre und der dadurch vorgenommenen Schwerpunktverschiebung von Unterrichtsinhalten zugunsten einer wirtschaftlichen Verwertbarkeit sind persönlichkeitsbildende Inhalte in den Hintergrund gerückt. Aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen lassen es jedoch unserer Ansicht nach geboten erscheinen, das Potenzial schulischer Bildung hinsichtlich des Erziehungs- und Bildungsauftrags konsequenter zu nutzen. Gerade hinsichtlich der Einrichtung von „Meldeportalen“ durch die AfD, die letztlich darauf abzielen, den schulischen Diskurs von der in § 2 des niedersächsischen Schulgesetzes geforderten Ausrichtung auf die Grundsätze der Gerechtigkeit, Solidarität, Toleranz und Gleichberechtigung wegzubewegen, brauchen Lehrkräfte eine größere Rechtssicherheit, was die Vermittlung dieser Grundsätze in ihrem Fachunterricht anbelangt.
Deshalb fordern wir das Kultusministerium und die Landesschulbehörde auf, eine Überprüfung der Kerncurricula, der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) und der im Zentralabitur verwendeter Prüfungsformate hinsichtlich ungenutzter Potenziale in Bezug auf den Erziehungs- und Bildungsauftrag vorzunehmen.
Unserer Beobachtung nach bleiben in Schule und Lehramtsausbildung – auch im Rahmen der Umgestaltung des Schulsystems und der Neufassung entsprechender Kerncurricula oder Ausbildungsverordnungen sowie zunehmender externer Anforderungen an das System Schule – Potenziale hinsichtlich des Erziehungs- und Bildungsauftrags zunehmend ungenutzt.
In den modernen Fremdsprachen können z.B. die Kontexte, in denen sprachliche Kompetenzen erworben werden, genutzt werden, um durch altersgerechte Konfliktsituationen eine grundlegende Werteerziehung zu unterstützen. Dies wird derzeit allenfalls den Schulbuchverlagen überlassen. Auch in der Sekundarstufe II kann die Auseinandersetzung mit fremdkulturellen Sachtexten, literarischen Texten und Filmen verstärkt genutzt werden, um die wechselseitige Wirkung von Individuum und Gesellschaft zu thematisieren und speziell einen Fokus auf unterschiedliche Wertesysteme und damit die Grundlage für Mündigkeit und Demokratieverständnis zu legen. Ergänzend hierzu beugt eine genaue Analyse der handelnden Figuren einer oberflächlichen Beurteilung von Menschen durch Stereotype vor und eine genaue Betrachtung sprachlicher Gestaltung fördert das Bewusstsein für Manipulation durch Sprache. Die Beschränkung solcher Unterrichtsinhalte auf wenige Unterrichtseinheiten in wenigen Fächern reicht nicht aus, um eine entsprechende Mündigkeit zu entwickeln. Hierzu müssten die Kerncurricula entsprechend inhaltlich ausgeschärft und die Anlage der Leistungsüberprüfung entsprechend angepasst werden. Multiple Choice Tests für komplexe Inhalte sind dabei nicht hilfreich und überformalisierte Sprechprüfungen in den Fremdsprachen, bei denen die kommunizierten Inhalte in der Bewertung keine Rolle spielen untergraben sogar die Entwicklung von Mündigkeit. Als weiteres Beispiel könnten auch der Schutz des Unterrichtsfachs Politik-Wirtschaft vor allzu ökonomischer Akzentuierung sowie eine stärkere Thematisierung der gesellschaftlichen Kohäsion als Grundlage des Zusammenlebens hier wertvolle Beiträge leisten.
Kompetenzformulierungen müssten – auch in der Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer – daraufhin überprüft werden, ob und ggf. wie stark sie durch eine Fokussierung auf gewünschtes, beobachtbares Verhalten zum bloßen Antrainieren des betreffenden Verhaltens führen können, ohne dass dieses – im Sinne von Mündigkeit – aus einer verstandenen und durchdrungenen Grundlage heraus geschieht. Entsprechend müssten Lehrkräfte ermuntert und ermutigt werden, im Unterricht wie in Leistungsüberprüfungen stärker auf das Verständnis und die Verinnerlichung der demokratisch-pluralistischen Grundlagen unserer Gesellschaft als auf ein beobachtbares Verhalten abzuzielen.
Annahme in geänderter Fassung:
Wir fordern das Kultusministerium und die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung auf, eine Überprüfung der Kerncurricula, der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) und der im Zentralabitur verwendeter Prüfungsformate hinsichtlich ungenutzter Potenziale in Bezug auf den Erziehungs- und Bildungsauftrag vorzunehmen.
Annahme in geänderter Fassung:
Wir fordern das Kultusministerium und die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung auf, eine Überprüfung der Kerncurricula, der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) und der im Zentralabitur verwendeter Prüfungsformate hinsichtlich ungenutzter Potenziale in Bezug auf den Erziehungs- und Bildungsauftrag vorzunehmen.