3/I/2021 Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will! – Für eine Stärkung der Arbeitnehmer*innenrechte

Status:
Erledigt

Die SPD steht für eine lange Tradition der Arbeiter*innenbewegung. Die Stärkung der Rechte und der Mitbestimmung der Arbeiter*innen und auch aller anderen Arbeitnehmer*innen sind für uns daher ein elementarer und unverhandelbarer Bestandteil unseres politischen Strebens und die Gewerkschaften sind in dieser Frage unsere natürlich Bündnispartnerinnen. Nach über 150 Jahren dieses Kampfes haben wir gemeinsam viele Errungenschaften erkämpft. Diese Errungenschaften sind allerdings tagtäglich bedroht und müssen daher stets verteidigt, erhalten und ausgeweitet werden. Hierbei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass sich unsere Gesellschaft und unsere Lebenswirklichkeit in einer immensen Dynamik weiterentwickelt und damit auch die Arbeitswelt einen entsprechenden Wandel erfährt. Das bringt vor allem für die Arbeitnehmer*innen ganz neue Herausforderungen mit sich, auf die es auch im 21. Jahrhundert sozialdemokratische Antworten braucht. Einige dieser konkreten Herausforderungen und die aus ihnen erwachsenden Forderungen sollen im Folgenden thematisiert werden:

Mehr staatliche Verantwortung für eine demokratische und soziale Arbeitswelt:

Wir sehen uns einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Arbeitsweilt gegenüber. Der Organisationsgrad von Gewerkschaften sinkt ebenso wie die Zahl an Betrieben und Beschäftigungsverhältnissen, die von Gewerkschaften vertreten werden und von Tarifverträgen umfasst sind. Dies führt zu einem Ungleichgewicht zwischen den Tarifparteien und hüllt die Tarifautonomie aus. Der Mindestlohn hat gezeigt, dass staatliche Regulierung als sinnvolle und auch notwendige Ergänzungen zu Vereinbarungen der Tarifparteien zu sehen sind, die den Rahmen der Tarifautonomie setzen und gesellschaftliche und sozialpolitische Leitplanken setzen. Daher sollten staatliche Regelungen und politischer Gestaltungswille in unserer Arbeitswelt keine falsche und unangebrachte Zurückhaltung an den Tag legen. Die Arbeitswelt braucht politische Gestaltung und den Mut zur Veränderung.

Flexibilität gilt auch für Arbeitgeber*innen – Schluss mit der Teilzeitfalle:

Auf dem Arbeitsmarkt gewinnt der Aspekt der umfassenden Flexibilität immer mehr an Bedeutung. Viele Arbeitnehmer*innen sehen sich wachsenden Ansprüchen gegenüber, die von ihnen verlangen, dass sie sich zeitlich und räumlich immer stärker an ihren beruflichen Anforderungen orientieren.

Leider gibt es bei aller Flexibilisierung einen Aspekt, der ganz und gar nicht flexibler wird: die Teilzeitfalle. Wer einmal in Teilzeit geht, kommt nur selten wieder in eine Anstellung in Vollzeit zurück. Das kann nicht sein: Wer in Vollzeit arbeiten will, muss das auch dürfen!

Wir fordern:

  • ein echtes Teilzeit-Befristungsgesetz, das die Reduzierung von Arbeitszeit mit einer vereinbarten automatischen Rückkehr in Vollzeit verknüpft.
  • einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit, der gesetzlich verankert, dass eine Rückkehr von Teil-in Vollzeit für alle Arbeitnehmer*innen gewährleistet ist.

Nur Ausbeutung gehört befristet – Schluss mit der willkürlichen Befristung:

Kettenbefristungen sind eine traurige Realität, die vor allem junge Arbeitnehmer*innen eine mittel- oder langfristige Lebensplanung erheblich erschwert. Dieser Zustand gehört überwunden!

Deshalb fordern wir:

  • die sachgrundlose willkürliche Befristung von Arbeitsverträgen restlos abzuschaffen.
  • der nicht hinnehmbaren Realität von Kettenbefristungen einen wirksamen gesetzlichen Mechanismus entgegenzusetzen und so Kettenbefristungen tatsächlich zu unterbinden.
  • eine klarere Definition und Begründung von Sachgründen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen um zu vermeiden, dass diese willkürlich sind.

Gleiche Arbeit  verdient  gleiche  Anerkennung – Schluss  mit  der  Ungleichbehandlung  von Leiharbeiter*innen:

Leiharbeiter*innen leisten in vielen Betrieben genauso viel und genauso gute Arbeit wie die jeweiligen Stammbelegschaften. Dennoch werden sie gesetzlich als Arbeitnehmer*innen 2. Klasse behandelt. Das muss aufhören!

Wir fordern:

  • die umfassende Gleichberechtigung von Leiharbeiter*innen gegenüber der Stammbelegschaft – sowohl in der Bezahlung als auch in der Frage von Arbeitnehmer*innenrechten.
  • zu verbieten, eine Stelle dauerhaft nur durch Leiharbeiter*innen zu besetzen.

Sein statt Schein – Scheinselbstständigkeiten aufdecken und bekämpfen:

Scheinselbstständigkeit schadet im Wesentlichen dem Scheinselbstständigen selbst und den sozialen Sicherungssystemen. Deshalb muss sie noch effektiver aufgedeckt und unterbunden werden. Damit sorgen wir zugleich für einen immensen Zuwachs von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen – vor allem in den Bereichen, in denen Scheinselbständigkeit heute noch weit verbreitet ist.

Wir fordern also:

  • Scheinselbstständigkeit noch wirkungsvoller zu regulieren und entschlossen dagegen vorzugehen.

App statt Stechuhren? – Für faire und gesunde Arbeitszeitregelungen in der digitalisierten Arbeitswelt:

Räumliche Flexibilisierung kann von Arbeitnehmer*innen als Vorteil empfunden werden, aber es stecken in dieser Entwicklung viele Möglichkeiten, den Arbeitsschutz zu untergraben und auszuhebeln. So werden in Deutschland immer mehr Überstunden weder erfasst noch durch Freizeit ausgeglichen oder finanziell vergütet. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang stellt auch die Durchsetzung des wichtigen und notwendigen flächendeckenden Mindestlohns dar.

Wir fordern:

  • einen zeitgemäßen Arbeitsschutz, der Arbeitnehmer*innen auch in der digitalisierten Arbeitswelt ihre Ruhephasen und ihren Feierabend garantiert.
  • gesetzliche Regelungen, die der immensen Unterschlagung von Überstunden in Deutschland endlich Einhalt gebietet.
  • die Einführung einer Wochen-Maximalarbeitszeit von 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich.
  • Globalisierung braucht mehr soziale  Dimensionen – Für europäische und globale Arbeitnehmer*innenrechte

Die hier beschriebenen Probleme und Lösungsvorschläge sind keineswegs nur auf die Bundesrepublik Deutschland anzuwenden. Die Entwicklungen und Herausforderungen ähneln sich in vielen Nationalstaaten, die leider immer noch allein und individuell nach Lösungen suchen und diese Konzepte für sich erproben. Aber ein Ziel sollten alle Arbeitnehmer*innen auf der Welt teilen: menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu einer gerechten Bezahlung für ausnahmslos alle! Im Dienste dieses gemeinsamen Ziels müssen die europäischen und auch die globalen Bemühungen vorangetrieben werden, damit menschenverachtende Arbeitsbedingungen und unwürdige Entlohnung überall auch so benannt und bekämpft werden kann und nicht zu sogenannten „guten Standortbedingungen“ verklärt werden. Daher muss das mittel- bis langfristige Ziel sozialdemokratischer Arbeitspolitik sein, unsere Ziele und Maßnahmen auch europaweit und international durchzusetzen. Bei diesem Globalisierungsprozess der Arbeitnehmer*innenrechte sind die Gewerkschaften unsere wichtigsten Bündnispartnerinnen, die auch ihrerseits ihre Organisationen jenseits der Grenzen von Nationalstaaten weiterentwickeln müssen.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt durch Beschlussfassung Landesparteirat 3.11.2018