13/I/2021 Berufliche Bildung stärken

Status:
Erledigt

Die Landtagsfraktion hat mit einem Antrag der Regierungsfraktionen zur Beruflichen Bildung vom 12.06.2019 einen ersten Schritt getan. Nun gilt es, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben und das berufliche Bildungssystem gemäß seiner Bedeutung für Menschen und Wirtschaft entscheidend weiter zu entwickeln und umzusetzen. Darum beschließt der Landesparteitag der SPD Niedersachsen die folgenden Punkte:

1. Gute Unterrichtsversorgung:

Die nominelle Unterrichtsversorgung an Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen wird deutlich erhöht und wird zukünftig in bei der Veröffentlichung der Unterrichtsversorgungen der Schulformen mitberücksichtigt.

2. Quereinsteiger angemessen nachqualifizieren:

a) Als Voraussetzung für die Aufnahme in eine Qualifizierungsmaßnahme für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen ist zukünftig ein Master-Abschluss an einer Universität oder einer Hochschule und die einschlägige berufspraktische Erfahrung notwendig. Sofern im Rahmen des Quereinstiegs ein solches Studium stattfindet, ist eine weitgehend von Unterrichtsverpflichtungen befreite Studienphase von vier Semestern zu ermöglichen. Die Finanzierung wird durch das Land Niedersachsen gesichert. Auf die Aufnahme von Bachelor-Absolvent*innen in die Qualifizierungsmaßnahme wird verzichtet. Eine sechsmonatige Probezeit wird eingeführt

b) In der berufsbegleitenden pädagogisch-didaktischen Qualifizierung übernehmen die Studienseminare für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen die Koordinierung der Maßnahmen und entwickeln Qualifizierungskonzepte. Hierfür werden die notwendigen materiellen und personellen Ressourcen im Studienseminar und in den Schulen zur Verfügung gestellt.

c) Zur Stabilisierung und Vertiefung der im Rahmen der Ausbildung erworbenen Kompetenzen wird für alle Berufsanfänger im Bereich der beruflichen Bildung eine Berufseingangsphase mit verbindlichen Fortbildungsangeboten eingeführt.

3. Auszubildende mit erschwerten Ausgangsbedingungen:

a) Personen mit Einschränkungen ist der Zugang zu allen Ausbildungsgängen durch entsprechende Hilfen möglich zu machen.

b) Menschen mit Deutsch als Fremdsprache sind gesonderte Angebote innerhalb der beruflichen Qualifizierung zu ermöglichen.

c) Neu Zugewanderten ist ein Nachteilsausgleich bei den Kammerprüfungen zu ermöglichen.

d) Erhöhung der Studienkapazitäten des Studienganges Sonder- und Sozialpädagogik in Niedersachsen für Berufsbildende Schulen.

4. Schulkooperationen verbindlicher und arbeitsfähiger machen, Beirat an BBSn ergänzen:

Das NSchG in § 25 wird dahingehend ergänzt, dass den Schulen die Option eines gemeinsamen Beschlussgremiums für einen definierten Kooperationsbereich eröffnet wird. Der Beirat an BBSn sollte um eine Person aus dem Bereich „Inklusion“ ergänzt werden.

5. Multiprofessionelle Team:

Die SPD fordert ein Konzept für die Implementierung multiprofessioneller Teams an BBSn. Dabei sind insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  • Zeit für die Zusammenarbeit der Teams zur Verfügung stellen
  • Zusätzliches Personal an BBSn einstellen (Pädagogische Mitarbeiter)
  • Zusätzliches Personal bei LSchB (z. B. Psychologen)

6. Frühzeitige Elterninformation über Aufstiegswege im beruflichen Bildungssystem:

Das Land Niedersachsen soll Veranstaltungen an Allgemeinbildenden Schulen durch geeignete Personen aus dem Bereich der beruflichen Bildung verbindlich implementieren und den Schulen ausreichende Ressourcen zur Verfügung stellen.

7. Konzeptionelle Fortbildungsangebote für alle BBS:

In den nächsten fünf Jahren soll das Kultusministerium anforderungsbezogene Schwerpunktsetzungen bei den zentral gesteuerten Fortbildungen (Rahmenkonzept – Rako) vornehmen und die Finanzmittel im Haushaltsplan anheben. Schwerpunkte: Digitalisierung, sprachsensibler Unterricht, Demokratiebildung und Inklusion. Hintergrund: In Baden-Württemberg geschieht dies sehr planmäßig und flächendeckend.

 

Begründung:

Gute berufliche Bildung ist die Bedingung für die Stärke der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen. Für die Schüler*innen ist sie die Voraussetzung für einen guten Einstieg ins Erwerbsleben und im Zusammenhang mit Weiterbildungsangeboten auch für Sicherheit im Wandel der Arbeitswelt. Damit werden zugleich persönliche Existenzsicherung, Entfaltung und Lebenszufriedenheit wesentlich bestimmt.

Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen von Fachkräftemangel, technologisch-ökologischer Transformation und der Integration von Zugewanderten sind starke Berufsbildende Schulen daher eine ökonomische, ökologische und soziale Schlüsselfrage. Eine gute Unterrichtsversorgung, zeitgemäße Ausstattung der Schulen, gute Arbeitsorganisation und Attraktivität für die ganze Bandbreite von Berufseinstieg über Erstausbildung bis hin zur Weiterbildung und Studium sind die entscheidenden Gelingensbedingungen.

zu 1.:

Es fehlt an grundständig ausgebildeten Berufsschullehrkräften. Aber wenn in den Medien über die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen diskutiert wird, wird i. d. R. die Lage in der beruflichen Bildung ausgeblendet. Die nominelle Unterrichtsversorgung an den Berufsbildenden Schulen hat sich im letzten und im laufenden Schuljahr um je 1,3 Prozentpunkte auf durchschnittlich 91 % erhöht. Der Trend ist zwar positiv, aber bei weitem nicht zufriedenstellend und liegt im Vergleich deutlich unter der Unterrichtsversorgung allgemeinbildender Schulen.

Die BBSn helfen sich mit Quereinsteigern und befristeten Einstellungen pädagogischen Personals. Die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel für nicht stellenbezogene Mittel war bisher aber abhängig von Haushaltsresten. Im Jahre 2020 erhalten die BBSn erstmals ein festes Budget für Vertretungslehrkräfte. Aufstockung und Planungssicherheit sind für die Berufsschulen zwei wichtige Grundlagen. Diese müssen über das Jahr 2020 hinaus dauerhaft erhalten bleiben. Gleichzeitig gibt es in Niedersachsen einen Überhang von Gymnasiallehrkräften. Ein Teil davon könnte auch in allgemeinbildenden Fächern an Berufsschulen unterrichten.

zu 2.:

a) Aufgrund der besonderen Bedarfs- und Bewerberlage in den sog. Mangelfachrichtungen kann auf Quereinsteiger mittelfristig nicht verzichtet werden. Dies darf jedoch nicht zu Lasten der Lehrqualität erfolgen. Daher sind ein Masterabschluss, berufspraktische Grundkenntnisse und eine umfassende Nachqualifizierung im frei wählbaren Unterrichtsfach unabdingbar. Außerdem ist ein Notausstieg im Rahmen einer Probezeit wichtig, wenn ein zu Qualifizierender die basalen pädagogischen Grundhaltungen nicht entwickeln kann.

b) Die Qualifizierungsmaßnahme ist zurzeit stark von den spezifischen Kapazitäten und Anforderungen der einstellenden Schulen abhängig. Im Sinne von Ausbildungsstandards und Qualitätsentwicklung in der Lehrerbildung ist das landesweite Qualifizierungskonzept weiterzuentwickeln und dessen Umsetzung von den Studienseminaren zu koordinieren. Zu einem Qualifizierungskonzept gehört auch die Einführung von Ausbildungsunterricht für Quereinsteiger*innen und Qualifizierungsangebote für Mentor*innen.

c) In der Qualifizierungsphase müssen gleichzeitig Unterrichtspraxis erlangt, Seminararbeit geleistet und die Studienphase absolviert werden. Der evtl. anschließende Vorbereitungsdienst dauert nur ein halbes Jahres. Die Leistungsnachweise sind so eng getaktet, dass ein nachhaltige Konsolidierung und Internalisierung nicht möglich sind. Eine Berufseinstiegsphase soll erreichen, dass die Berufsanfänger ihre Kompetenzen stabilisieren und weiterentwickeln.

zu 3.:

Inklusion und Integration waren so immer schon eine der Aufgaben der Berufsbildenden Schulen. Um allerdings dieser wachsenden Schülerschaft gerecht werden zu können, benötigen die Schulen zusätzlich zu ihrem Know How finanzielle und personelle Unterstützung.

a.) Diese Forderung ist die konsequente Umsetzung des Teilhabegesetzes.

b.) Immer mehr Immigrant*Innen beginnen eine Ausbildung. Oft reichen deren Deutschkenntnisse nicht aus, um die sehr komplexe Ausbildung in Deutschland zu meistern. Um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen und die Integration Neuzugewanderter zu gewährleisten, ist eine personelle und finanzielle Unterstützung notwendig.

c.)  Für eine gelingende Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt ist ein erfolgreicher Berufsabschluss ein wichtiger Schritt.

d) Den Schüler*innen der Berufseinstiegsschule mit besonderem Unterstützungsbedarf müssen bedarfsgerechte und individualisierte Unterrichtsangebote durch speziell qualifizierte Lehrkräfte bereitgestellt werden.

zu 4.:

Heute wird Schule als Teil von Bildungslandschaften gedacht und nicht mehr als Solitär-Institution. Ganztagsschulen kooperieren beispielsweise für ihren Freizeitbereich mit außerschulischen Trägern, andere möchten im Rahmen eines Schulverbundes eine gemeinsame Oberstufe einrichten, Berufsschulen kooperieren untereinander, mit allgemeinbilden Schulen und mit externen Partnern.

zu 5.:

Es ist sicher begrüßenswert, dass Land, Kommunen und Region Hannover den Schulen Sozialarbeiter*innen zur Verfügung stellen. Das führt in manchen Fällen aber dazu, dass an einer Schule bis zu drei verschiedene Anstellungsträger mit eigenen Sozialarbeiter*innen tätig sind. Beispielsweise nehmen kommunale Sozialarbeiter*innen auch an Fallbesprechungen innerhalb ihrer Ämter gemeinsam mit der Familienhilfe, Jugendgerichtshilfe oder der Stelle für Unterbringung in Jugendwohngruppen teil. Die gleichen Zugänge haben andere Sozialarbeiter*innen nicht. Auch wird in manchen Fällen die Einrichtung neuer Personalstellen für Schulsozialarbeiter*innen eines Kostenträgers (z.B. Land) zum Anlass für Kürzungen beim anderen (Kommune) genommen. In den vergangenen Jahren sind die Anforderungen an Schulsozialarbeit und Beratungslehrkräfte stark gestiegen (z. B. traumatisierte Flüchtlinge in Bildungsgängen der BBS). Im Rahmen des Fürsorgeprinzips müssen Schulsozialarbeit/Beratungslehrkräfte die Möglichkeit haben, rasch Schulpsychologen einzelfallbezogen hinzuzuziehen.)

zu 6.:

Berufsbildende Schulen sind bezogen auf die angebotenen Bildungswege und Abschlüsse vielfältiger als jede andere Schulreform. Dieses komplexe System, mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, ist für Außenstehende häufig intransparent. Zusätzlich zu berufsqualifizierenden werden alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse (Hauptschul- und Realschulabschluss, Fachhochschulreife und Abitur) ermöglicht. Eine frühzeitige, die Aufstiegswege im berufliche Bildungssystem einbeziehende Elterninformation schon zum Ende der Grundschulzeit kann Orientierung geben.

zu 7.:

Für die 132 BBSn in Niedersachsen benötigen wir im Bereich der Fortbildungen mehr Unterstützung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass von BBSn immer mehr erwartet wird (z. B. Integration von Neu-Zugewanderten, inklusive Beschulung, Demokratiebildung oder Mobbingprävention (siehe dazu auch die Beschlüsse aus der Landtagssitzung Ende Januar 2020).

 

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt durch Beschlussfassung zu Antrag Nr. 6, Kap. Bildungspolitik