Die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens sind für uns unumstritten. Wir halten am 1,5° Grad Ziel fest. Darüber hinaus bekennen wir uns weiterhin zum Ziel von 100 Prozent Erneuerbaren Energien in der Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 2050. Leider ist jedoch festzustellen, dass die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele bei weitem nicht ausreichen und auch die Energiewende immer mehr ins Stocken gerät. Um noch eine Chance zum Erreichen der selbstgesteckten energiepolitischen Ziele zu bewahren, bedarf es einem radikalen Kurswechsel. Wir müssen unsere soziale und ökologische Verantwortung umgehend ernst nehmen – sonst ist es zu spät.
Dieser Antrag analysiert die bestehenden Probleme der Energiewende und zeigt auf, was getan werden muss, um eine sozialverträgliche und ökologisch sinnvolle Energiewende bis zum Jahr 2050 umsetzen zu können. Der Antrag befasst sich dabei mit folgenden Problemfeldern: Netzausbau, Speichertechnologien, Ausbau von Erneuerbaren Energien, Diversität von Erzeugungsanlagen und Stromhandel.
Netzausbau:
Die Strukturen der Stromerzeugung befinden sich seit mehreren Jahren und fortlaufend im Wandel. Mit dem Abschalten alter Erzeugungsanlagen, wie AKWs und Kohlekraftwerken, und der Inbetriebnahme neuer Anlagen, etwa aus den Bereichen Photovoltaik, Biogas oder Windenergie, verändern sich (unter anderem) die Anforderungen an das Stromnetz. Vereinfacht lässt sich sagen, dass Strom über Leitungen und Trassen transportiert wird. Das Stromnetz in Deutschland ist aber auf diese neueren Technologien nicht ausgelegt. Aufgrund der Dezentralität, der kleineren installierten Leistung und der im Vergleich zu AKWs und Kohlekraftwerken häufigeren An- & Abschaltung, haben die erneuerbaren Erzeugungsanlagen ganz unterschiedliche Anforderungen an das Stromnetz. Der Ausbau des Stromnetzes in Deutschland hinkt sowohl quantitativ, als auch qualitativ stark hinter den strukturellen Entwicklungen her.
Die Gründe hierfür sind unter anderem lokale Interessen (z.B. die Ablehnung des Freistaates Bayern gegen oberirdische Trassen), sowie Investitionsstau und Fachkräftemangel. Doch wie kann es sein, dass die Grundlage unserer Stromversorgung so stiefmütterlich behandelt wird? Wie kann es sein, dass ein so entscheidender Faktor der Versorgungssicherheit bei fast allen Diskussionen um die Energiewende ignoriert wird?
Die Herausforderung, die Frequenz von 50 Hz in den Netzen zu gewährleisten, wird immer schwieriger und das Stromnetz in Deutschland stand schon mehr als einmal kurz vor einem Black-Out (Zusammenbruch). Eine weitere Folge eines alten und unflexiblen Stromnetzes ist ein hoher Bedarf an Regelenergie. Diese wird von teuren Spitzenlastkraftwerken oder Speichern zur Verfügung gestellt, um die Frequenz im Netz auszugleichen und zu stabilisieren. Die Kosten für die bereitgestellte Regelenergie werden am Ende eines Kalenderjahres auf die EEG-Umlage umgerechnet (2018 hat die Umlage 23,6 Prozent des Strompreises ausgemacht). Entgegen der Annahme, dass diejenigen die am meisten Energie konsumieren auch am meisten belastet werden, besteht allerdings für energieintensive Sektoren die Möglichkeit, sich von der Umlage befreien zu lassen. Zum großen Teil tragen somit Endverbraucher*innen, Haushalte und kleine Unternehmen die finanzielle Hauptlast der Energiewende. Deshalb fordern wir, dass das Thema des Netzausbaus endlich die Priorität erhält, die es verdient! Sowohl die Netzbetreiber*innen, als auch die Bundesregierung müssen in die Pflicht genommen werden, um mehr finanzielle Ressourcen für den Ausbau bereitzustellen. Unternehmen, welche von der Umlage teilweise und vollumfänglich befreit sind, sollten ebenfalls ihren Anteil zum Netzausbau leisten. Die Befreiung ist vollumfänglich aufzuheben. Die Interessen der Länder sind hierbei als sekundär zu behandeln. Ein Ausbau kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen und nicht jedes Bundesland eine Sonderbehandlung erfährt. Strom fließt in Niedersachsen, wie in Bayern am besten oberirdisch. Die physikalischen Gesetze kennen keine Grenzen.
Speichertechnologie:
Ein Großteil der erneuerbaren Erzeugungsanlagen sind durch ihren volatilen Charakter geprägt. Oft wird in Diskussionen das Argument angeführt, dass die Sonne nicht immer scheinen und der Wind nicht immer wehen würden. Trotz der Banalität der Argumentation, ist sie leider korrekt. Windenergie- und Photovoltaikanlagen liefern in Deutschland den größten Anteil des erneuerbaren Stroms. Derzeit sind aufgrund der Überkapazität an installierter Leistung bilanzielle Engpässe ausgeschlossen. Derzeit werden in Deutschland noch so große Mengen Strom „produziert“, dass kein unwesentlicher Anteil ins Ausland exportiert wird. Doch wenn das Ziel von 100% erneuerbaren Energien bis 2050 ernst genommen wird, muss sich schon heute mit dem Thema von Speichern beschäftigt werden.
Wie bei den Erzeugungsanlagen, muss auch bei Speichern die Lösung in der Diversität von Technologien gesucht werden. Lokale Gegebenheiten müssen besser genutzt werden. Neben den klassischen Akkumulatoren gilt es auch auf eine Erhöhung der Sektorenkopplung, Power-to-Gas (vor allem Wasserstoff und Methan), Power-to-Heat und Pumpspeicherkraftwerken zu setzen. Darüber hinaus gibt es noch weitere innovative Möglichkeiten. Als Beispiel sind hier ganzheitliche Lösungen, wie der Nutzung von Kühlhäusern von Schlachtereihöfen oder Metallschmelzen als unkonventionelle Thermospeicher, zu nennen. Im Zuge der Diskussion um Speichertechnologien wird oft das Argument der Unwirtschaftlichkeit von Speichern angeführt. Hierzu muss zum einen gesagt werden, dass die meisten konventionell und unkonventionell hergestellten Technologien am Anfang unwirtschaftlich operieren, wir allerdings den Schutz der Umwelt nicht auf die Frage reduzieren sollten, ob eine Technologie in ihren Kinderschuhen wirtschaftlich operiert oder nicht, sondern ob sie sinnvoll einsetzbar und umweltfreundlich ist.
Deshalb fordern wir die Einrichtung eines Fonds, der Gelder für die Forschung und für Pilotprojekte mit der Anwendung von unkonventionellen Speichern ermöglicht. Zur Stabilisierung des Stromnetzes und dem Ausgleich von Engpässen bedarf es darüber hinaus der Bezuschussung von umweltfreundlichen Speichertechnologien. Die Bezuschussung soll sich an der Höhe der installierten Leistung und der Einsatzstunden im Jahr messen.
Ausbau von Erneuerbaren Energien:
Der Ausbau von Erneuerbaren Energien in Deutschland stagniert. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einige nennenswerte sind die Einführung eines Ausschreibungssystemes, langwierige Genehmigungsverfahren, Planungsunsicherheiten für Investor*innen sowie der 6h-Regelung mit der jüngsten Novellierung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG). Seit Beginn 2017 gibt es ein Ausschreibungssystem für die Erzeugungsanlagen von Erneuerbaren Energien. Konkret bedeutet das, dass die Anbieter*innen mit den günstigsten Preisen für eine Kilowattstunde (kWh) Strom einen festgeschriebenen Preis für die Erzeugung und Einspeisung von Strom über 20 Jahre erhalten (Einspeisevergütung). Dadurch, dass Unternehmen mit großem finanziellem Spielraum eine höhere Anzahl an Anlagen bei Hersteller*innen, zu günstigeren Preisen abnehmen können, ist es ihnen möglich günstigere Preise bei den Ausschreibungsverfahren anzubieten. Darüber hinaus müssen für die Bewerbung bei den Ausschreibungsverfahren, sämtliche Genehmigungen vorliegen. Für kleine Investor*innen wie zum Beispiel Kommunen, ist das Risiko, sich an einer solchen Ausschreibung zu beteiligen, zu groß. Durch das Ausschreibungsverfahren wird nicht nur der Ausbau gebremst, sondern auch die Akzeptanz der Energiewende bei den Bürger*innen vor Ort verringert.
Darüber hinaus wurde die 6h-Regelung eingeführt. Diese besagt, dass wenn der Strompreis an der Energiebörse in sechs aufeinanderfolgenden Stunden negativ ist, der*die Betreiber*in von Anlagen für diesen Zeitraum seinen*ihren Strom nicht vergütet bekommt. Auch diese Regelung führt nicht dazu, dass Investor*innen dazu ermutigt werden sich an der Energiewende zu beteiligen. Es ist nur sehr schwer vorherzusagen, wie sich die Börse in den nächsten Jahren entwickeln wird und wie häufig diese Regelung Anwendung findet. Es ist aber davon auszugehen, dass mittelfristig die Häufigkeit von negativen Strompreisen, aufgrund der Überkapazität und der volatilen Erzeugungsanlagen, zunehmen wird.
Deshalb fordern wir eine erneute Novellierung des EEGs, welche die 6h-Regelung und das Ausschreibungsmodell wieder abschafft, eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren vorsieht und die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürger*innen erhöht.
Diversität von Erzeugungsanlagen:
Wenn politisch die strombezogene Energiewende in Deutschland diskutiert wird, wird fast ausschließlich von Wind- und Photovoltaikenergie gesprochen. Darüber hinaus gibt es zum Beispiel aber auch noch Wasserkraft- & Biogasanlagen. Das Potential von Wasserenergie ist in Deutschland nahezu komplett erschlossen. Das Potential von Biogasanlagen hingegen aber nicht. Biogasanlagen werden in der aktuellen Gesetzgebung nur am Rande berücksichtigt und Genehmigungen für den Bau von Biogasanlagen werden kaum noch erteilt. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass ein Großteil der Biogasanlagen mit Mais betrieben werden. Bei Mais handelt es sich um eine Kulturpflanze, welche nicht sonderlich förderlich für unser Ökosystem ist. Sie ist bei Landwirt*innen dennoch sehr beliebt, da der Ertrag der Maispflanze mit keiner anderen Pflanzenart in Deutschland zu vergleichen ist. Wenn wir Mais in Strom umwandeln, dann sollten die Auswirkungen auf unser Ökosystem minimiert werden. Bodenfreundlichen und biodiversitätsförderliche Fruchtfolgen müssen gewährleistet werden, wenn Kulturpflanzen wie Mais angebaut werden. Alternativ können Biogasanlagen auch mit Gülle oder diversen anderen organischen Materialien betrieben werden. Doch Biogasanlagen bieten im Gegensatz zur Wind- und Photovoltaikenergie einen großen Vorteil: sie sind steuerbar. Biogasanlagen basieren auf dem Prinzip eines Motors, welcher mit Gas betrieben wird. Durch die Verbrennung des Gases wird Strom und Wärme umgewandelt. Biogasanlagen können mittelfristig eine gute Ergänzung zu Speichern sein. Wenn es zu lokalen Engpässen kommt, können Biogasanlagen in Betrieb genommen werden, um diese zu schließen. Eine finanzielle Bevorzugung solcher Anlagen wäre wünschenswert. Zusätzlich fordern wir die Verpflichtung von Wärmenutzkonzepten für die Genehmigung von neuen Biogasanlagen, welche von Fern- & Nahwärmenetzbetreiber*innen in Kooperation mit den Anlagenbetreiber*innen erarbeitet werden müssen. Darüber hinaus fordern wir die Verpflichtung von bodenfreundlichen und biodiversitätsfördernden Maßnahmen, beim Anbau von Mais als nachwachsender Rohstoff.
Stromhandel:
Seit dem Jahr 2002 ist besteht in Deutschland die Möglichkeit, Strom am Terminmarkt der European Energy Exchange (EEX) und seit 2008 am Spotmarkt der European Power Exchange (EPEX) zu handeln. Am langfristigen Terminmarkt kann Strom zwei Tage bis sechs Jahre im Voraus gehandelt werden. Am kurzfristigen Spotmark hingegen nur für den Folgetag und bis 15 Minuten vor Erfüllung der Leistung. Im Jahr 2016 wurden nach Angaben der EEX in der Preiszone Deutschland/Österreich circa 2.665 TWh Strom gehandelt. Die EEX gibt an, dass sie 2016 in Deutschland einen Marktanteil von 37 Prozent hatte. Im Jahr 2016 lag der Bruttostromverbrauch in Deutschland und Österreich hingegen aber nur bei 595,7 TWh. Das bedeutet, dass an der EEX Strombörse 4,5-mal mehr Volumen gehandelt wurde, als in beiden Ländern verbraucht wurde und das bei einem Marktanteil von gerade einmal 37 Prozent. Der Grund hierfür ist, dass an der EEX Börse rein spekulativer Handel mit Strom betrieben wird. Große Investor*innen spekulieren wie sich der Strompreis verändern könnte und versuchen dadurch zusätzliche Gewinne zu verbuchen. Seit der Abschaffung des physikalischen Handels 2005 an der EEX, ist es nur noch möglich das Recht auf den Strombezug zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erwerben, real erzeugter Strom wird nicht mehr gehandelt.
Ein weiteres Problem ist, dass die aktuelle Gesetzgebung besagt, dass die Differenz zwischen dem Mittelwert der monatlichen getätigten Transaktionen am Spotmarkt der Börse (Referenzmarktwert) und der für 20 Jahren festgeschriebenen Einspeisevergütungenn (Anzulegender Wert) durch das EEG-Konto ausgeglichen wird.
Je geringer der Strompreis an der Börse ist, desto größer wird die Belastung des EEGKontos und in Folge dessen, die EEG-Umlage und der Strompreis für Verbraucher*Innen. Strom ist keinesfalls ein Luxusgut, sondern ein Grundbedürfnis. Jedem Menschen sollte der Zugang zu bezahlbarem Strom möglich sein. Ein Leben ohne Strom ist unserer Gesellschaft nicht möglich.
Deshalb lehnen wir den Handel von Strom an der Börse entschieden ab. Wir fordern die Abschaffung der Energiebörse und damit auch des spekulativen Handels.