8/I/2021 Die Rechte von Inter*Menschen umsetzen und ausbauen!

Status:
Annahme

Die SPD Niedersachsen fordert ein radikales Umdenken gegenüber Inter*Menschen. Die kosmetischen Operationen an Säuglingen und Kindern zur Geschlechtsvereinheitlichung und eindeutigen Zuordnung in das binäre Geschlechtssystem, fallen zwar unter § 226a StGB (Genitalverstümmlung) bzw. §§ 223 ff. StGB (Körperverletzung), doch ist die Zahl der Operationen dadurch nicht maßgeblich zurückgegangen. Darüber hinaus gibt es weitere Behandlungen, die das Recht auf Unversehrtheit des Menschen antasten, so etwa die Behandlung durch Medikamente und/oder Hormone, die eine Zuordnung zum binären Geschlechtssystem herstellen sollen oder Psychotherapien mit derselben Absicht.

In der Folge solcher Eingriffe leiden viele Betroffene unter psychischen Problemen und müssen sich risikoreichen und belastenden Folgebehandlungen unterziehen. Darüber hinaus wird ihnen das Recht der freien Selbstentfaltung abgesprochen, indem man sie zwingt, ein Geschlecht anzunehmen und ihnen nicht selbst die Entscheidung überlässt – auch und vor allem, wenn sie sich nicht als binär männlich* oder binär weiblich* definieren wollen.

Die strafrechtliche Verfolgung der oben beschriebenen Eingriffe, ohne Einwilligung der*des mündigen Patient*in, muss daher konsequent umgesetzt werden. Eine Operation ohne Einwilligung der*des Mündigen ist nur in den größten Ausnahmen denkbar, wenn eine gesundheitliche Gefahr für das Kind besteht. In diesen Fällen, in denen die Gesundheit des Kindes in Gefahr sein könnte, muss eine hohe Absicherung erfolgen, z.B. unter Zuhilfenahme weiterer Ärzt*Innen, Beratungsstellen für Intersexualität und so fort. Außerdem muss deutlich werden, dass die Pathologisierung von Intersexualität häufig auf der Deutung basiert, dass Abweichungen von der Geschlechterbinarität als korrekturbedürftig betrachtet werden.

Weiterhin fordern wir präventive Maßnahmen, die langfristig das Bild von Intersexualität als etwas Korrekturbedürftigem und Abweichendem, verändern. Dieser Prozess muss dazu führen, dass die Grundrechte von Inter*Menschen nicht mehr verletzt werden. Wir fordern eine Schulbildung, die dieses Thema aufgreift, eine umfassende Auseinandersetzung in der Medizin mit diesem Thema und eine Förderung von Organisationen, die als beratende Stellen tätig sind. Verbote erscheinen in diesem Zusammenhang als kurz- bis mittelfristige Maßnahmen, die durch eine konsequent ausgebaute und erreichbare Aufklärungsarbeit und Beratungsangebote nicht zur Anwendung gebracht werden müssen. Wir lehnen „Normalisierungs“-Praktiken ab und fordern eine Wahrnehmung von geschlechtlicher Diversität in unserer Gesellschaft.

Intersexualität nicht länger zu pathologisieren und eine Selbstbestimmtheit der Betroffenen zu fördern und Zwangszuordnung in das binäre Geschlechtssystem zu verhindern, ist darüber hinaus auch eine europäische Aufgabe:

„In mindestens 21 EU-Mitgliedstaaten werden intersexuelle Kinder geschlechtszuweisenden Operationen unterzogen. In acht Mitgliedstaaten müssen die gesetzlichen Vertreter*innen des Kindes zustimmen, 18 Länder setzen das Einverständnis der Patient*innen voraus. Die Einbeziehung von Kindern in derartige Entscheidungen stellt jedoch eine Grauzone dar, da Faktoren wie beispielsweise das Alter des Kindes bestimmen, ob die Entscheidung beim Kind oder bei den Eltern liegt.“

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Die SPD Niedersachsen fordert ein radikales Umdenken gegenüber Inter*Menschen. Die kosmetischen Operationen an Säuglingen und Kindern zur Geschlechtsvereinheitlichung und eindeutigen Zuordnung in das binäre Geschlechtssystem, fallen zwar unter § 226a StGB (Genitalverstümmlung) bzw. §§ 223 ff. StGB (Körperverletzung), doch ist die Zahl der Operationen dadurch nicht maßgeblich zurückgegangen. Darüber hinaus gibt es weitere Behandlungen, die das Recht auf Unversehrtheit des Menschen antasten, so etwa die Behandlung durch Medikamente und/oder Hormone, die eine Zuordnung zum binären Geschlechtssystem herstellen sollen oder Psychotherapien mit derselben Absicht.

In der Folge solcher Eingriffe leiden viele Betroffene unter psychischen Problemen und müssen sich risikoreichen und belastenden Folgebehandlungen unterziehen. Darüber hinaus wird ihnen das Recht der freien Selbstentfaltung abgesprochen, indem man sie zwingt, ein Geschlecht anzunehmen und ihnen nicht selbst die Entscheidung überlässt – auch und vor allem, wenn sie sich nicht als binär männlich* oder binär weiblich* definieren wollen.

Die strafrechtliche Verfolgung der oben beschriebenen Eingriffe, ohne Einwilligung der*des mündigen Patient*in, muss daher konsequent umgesetzt werden. Eine Operation ohne Einwilligung der*des Mündigen ist nur in den größten Ausnahmen denkbar, wenn eine gesundheitliche Gefahr für das Kind besteht. In diesen Fällen, in denen die Gesundheit des Kindes in Gefahr sein könnte, muss eine hohe Absicherung erfolgen, z.B. unter Zuhilfenahme weiterer Ärzt*Innen, Beratungsstellen für Intersexualität und so fort. Außerdem muss deutlich werden, dass die Pathologisierung von Intersexualität häufig auf der Deutung basiert, dass Abweichungen von der Geschlechterbinarität als korrekturbedürftig betrachtet werden.

Weiterhin fordern wir präventive Maßnahmen, die langfristig das Bild von Intersexualität als etwas Korrekturbedürftigem und Abweichendem, verändern. Dieser Prozess muss dazu führen, dass die Grundrechte von Inter*Menschen nicht mehr verletzt werden. Wir fordern eine Schulbildung, die dieses Thema aufgreift, eine umfassende Auseinandersetzung in der Medizin mit diesem Thema und eine Förderung von Organisationen, die als beratende Stellen tätig sind. Verbote erscheinen in diesem Zusammenhang als kurz- bis mittelfristige Maßnahmen, die durch eine konsequent ausgebaute und erreichbare Aufklärungsarbeit und Beratungsangebote nicht zur Anwendung gebracht werden müssen. Wir lehnen „Normalisierungs“-Praktiken ab und fordern eine Wahrnehmung von geschlechtlicher Diversität in unserer Gesellschaft.

Intersexualität nicht länger zu pathologisieren und eine Selbstbestimmtheit der Betroffenen zu fördern und Zwangszuordnung in das binäre Geschlechtssystem zu verhindern, ist darüber hinaus auch eine europäische Aufgabe:

„In mindestens 21 EU-Mitgliedstaaten werden intersexuelle Kinder geschlechtszuweisenden Operationen unterzogen. In acht Mitgliedstaaten müssen die gesetzlichen Vertreter*innen des Kindes zustimmen, 18 Länder setzen das Einverständnis der Patient*innen voraus. Die Einbeziehung von Kindern in derartige Entscheidungen stellt jedoch eine Grauzone dar, da Faktoren wie beispielsweise das Alter des Kindes bestimmen, ob die Entscheidung beim Kind oder bei den Eltern liegt.“

 

Beschluss-PDF: