2/I/2021 Gute Verwaltung braucht Transparenz – Informationsfreiheit in Niedersachsen einführen!

Status:
Überweisung

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung und die SPD-Landtagsfraktion werden aufgefordert, einen Entwurf für ein Niedersächsisches Informations­zugangsgesetz in den Niedersächsischen Landtag einzubringen, das mindestens folgende Kriterien erfüllt:

  1. voraussetzungsloser Anspruch jeder Person auf Zugang zu amtlichen Informationen;
  2. informationspflichtige Stellen sollen neben allen Behörden auch sonstige Stellen sein, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, sowie Vereinigungen des Privat­rechts, sofern diese zu mehr als 50% im Eigentum der öffentlichen Hand sind;
  3. ein Antrag kann wegen öffentlicher oder privater Belange abgelehnt werden, soweit nicht das öffentliche Informationsinteresse überwiegt;
  4. gegen ablehnende Entscheidungen steht der Verwaltungsrechtsweg offen;
  5. Verbot prohibitiver Gebühren durch einen maximalen Gebührenrahmen von 500 Euro; mündliche und einfache Auskünfte sollen stets gebührenfrei sein;
  6. Unterrichtung der Öffentlichkeit über Verwaltungsvorschriften, Dienstanweisungen, Organisations- und Geschäftsverteilungspläne etc.
  7. Schaffung einer/s Landesbeauftragte/r für die Informationsfreiheit;
  8. Evaluationspflicht der Landesregierung.

Im Gegenzug wird § 96 Absatz 4 der Landeshaushaltsordnung aufgehoben.

 

Begründung:

In Niedersachsen besteht bislang kein voraussetzungsloser Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen der Landes- und Kommunalverwaltung. Außerhalb des Anwendungs­bereichs von Spezialgesetzen wie z. B. dem Niedersächsischen Umweltinformations­gesetz, dem Verbraucherinformationsgesetz, dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, dem Umwelt­verträglich­keitsprüfungsgesetz, dem Gentechnikgesetz, dem Baugesetzbuch, dem Niedersächsischen Wassergesetz und dem Niedersächsischen Pressegesetz wird ein solcher Informationszugang aufgrund allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen nach Ermessen erteilt.

Die Schaffung eines voraussetzungslosen Anspruchs von Bürgerinnen und Bürgern auf den Zugang zu amtlichen Informationen auf Antrag bewirkt eine stärkere Transparenz von Verwaltungshandeln. Diese Transparenz trägt dazu bei, dass staatliche Entscheidungen bei den Bürgerinnen und Bürgern auf mehr Akzeptanz stoßen. Der möglichst uneingeschränkte und ungehinderte Zugang zu amtlichen Informationen bringt es mit sich, dass Entscheidungen der Verwaltung und deren Grundlagen öffentlich zugänglich und damit für die Allgemeinheit nachvollziehbar werden. Dadurch wird das Verstehen behördlicher Entscheidungsprozesse und in der Folge das Vertrauen in staatliche Institutionen gefördert.

Darüber hinaus stärkt transparentes Verwaltungshandeln die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am politischen Diskurs sowie an demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungs­prozessen. Die Bürgerinnen und Bürger können von ihren demokratischen Beteiligungs­möglichkeiten umso effektiver Gebrauch machen, je besser sie informiert sind. Die verbesserten Möglichkeiten des Informationszugangs versetzen sie in die Lage, sich im Vorfeld politischer Entscheidungen die notwendigen Informationen zu verschaffen, um sich eine alle maßgeblichen Umstände berücksichtigende Meinung zu bilden und weiterführende Vorschläge zur Gestaltung von Vorhaben einbringen zu können.

Weiter verbessern Informationszugangsrechte die (Selbst-)Kontrolle der öffentlichen Verwaltung und dienen somit auch als Mittel der Korruptionsprävention. Insgesamt wird die gesteigerte Transparenz somit neben der parlamentarischen und gerichtlichen Kontrolle des Verwaltungshandelns zu einer verstärkten Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger sowie zu einer vermehrt öffentlichen kritischen Begleitung des staatlichen Handelns und der zugrunde liegenden Entscheidungsfindungsprozesse führen.

Schließlich führt der erweiterte Zugriff auf Informationen zu einer Stärkung der Wirtschaft, indem die wirtschaftliche Nutzung von Daten ermöglicht wird, die von öffentlichen Stellen vorgehalten werden, die diese Daten selbst nicht wirtschaftlich verwerten können, dürfen oder wollen.

Der Zugang zu allgemeinen Informationen der Verwaltung besteht in Deutschland seit 1998. Damals trat in Brandenburg das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) in Kraft. Seit 2005 gibt es ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene. Niedersachsen bildet demnächst gemeinsam mit Bayern und Sachsen das traurige Schlusslicht in Deutschland, was Verwaltungstransparenz anbelangt. Besondere Tradition hat dieses Recht in Schweden (1766) und in den USA (freedom of information act, 1966). Mittlerweile gibt es in 117 Staaten weltweit ein Recht auf Informationszugang gegenüber der öffentlichen Verwaltung.

Die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes war bereits Bestandteil des rot-grünen Koalitionsvertrags 2013. Die nunmehr regierende große Koalition ist weniger ambitioniert und möchte stattdessen, die Erfahrungen anderer Bundesländer evaluieren. Wir sind davon überzeugt: Lippenbekenntnisse gegenüber der CDU helfen der SPD nicht weiter. Die SPD als großer Koalitionspartner darf ihre Eigenständigkeit nicht aufgeben. Tatsächlich haben die anderen Bundesländer mit langer IFG-Erfahrung ihre Gesetze längst evaluiert. Ergebnisse liegen seit Jahren in Form von Tätigkeitsberichten der Informationsfreiheitsbeauftragten und in Form von Gutachten vor. Diese Evaluation hatte zur Folge, dass die Bundesländer den Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger erweitert haben, wie z. B. die sozial­demokratisch regierten Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz zeigen. Das Bundes-IFG wurde bereits vor Jahren durch ein Gutachten des Instituts für Gesetzesfolgen­abschätzung und Evaluation (InGFA) des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer umfassend evaluiert.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Material an die SPD-Landtagsfraktion
Beschluss: Überweisung
Text des Beschlusses:

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Niedersächsischen Landesregierung und die SPD-Landtagsfraktion werden aufgefordert, einen Entwurf für ein Niedersächsisches Informations­zugangsgesetz in den Niedersächsischen Landtag einzubringen, das mindestens folgende Kriterien erfüllt:

  1. voraussetzungsloser Anspruch jeder Person auf Zugang zu amtlichen Informationen;
  2. informationspflichtige Stellen sollen neben allen Behörden auch sonstige Stellen sein, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, sowie Vereinigungen des Privat­rechts, sofern diese zu mehr als 50% im Eigentum der öffentlichen Hand sind;
  3. ein Antrag kann wegen öffentlicher oder privater Belange abgelehnt werden, soweit nicht das öffentliche Informationsinteresse überwiegt;
  4. gegen ablehnende Entscheidungen steht der Verwaltungsrechtsweg offen;
  5. Verbot prohibitiver Gebühren durch einen maximalen Gebührenrahmen von 500 Euro; mündliche und einfache Auskünfte sollen stets gebührenfrei sein;
  6. Unterrichtung der Öffentlichkeit über Verwaltungsvorschriften, Dienstanweisungen, Organisations- und Geschäftsverteilungspläne etc.
  7. Schaffung einer/s Landesbeauftragte/r für die Informationsfreiheit;
  8. Evaluationspflicht der Landesregierung.

Im Gegenzug wird § 96 Absatz 4 der Landeshaushaltsordnung aufgehoben.

 

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: