/I/2021 Helfen statt strafen: Lebenslanges Lernen und Weiterbilden durch Abschaffung von Langzeitstudiengebühren und Schaffen von Möglichkeiten zum Teilzeitstudium

Status:
Zurückgezogen

Die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren und Schaffung der Möglichkeit eines Teilzeitstudiums, beides zusammen wird es Menschen in Niedersachsen ermöglichen, sich selbstständig im Beruf weiter zu qualifizieren, trotz Alleinerziehung neben dem Job noch einen universitären Abschluss zu erreichen, Menschen die Möglichkeit zu geben einen beruflichen Neuanfang zu schaffen und die Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. Ganz im Sinne einer Bildungspartei.

Der Landesparteitag möge daher beschließen:

  1. Abschaffung der Langzeitstudiengebühren in Niedersachsen zum nächstmöglichen Zeitpunkt
  2. Einführung der Möglichkeit eines Teilzeitstudiums

 

Begründung:

Die SPD versteht sich als die Bildungspartei in Deutschland. Und das nicht erst seit dem letzten Bundestagswahlkampf. Gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule und zum Meisterbrief. Diese Wahlslogans kennen wir seit Willy Brandt.  Dem entgegen stand in den Nullerjahren die fast bundesweit von CDU/CSU und FDP eingeführten Studien- und Langzeitstudiengebühren. Zum Glück konnte die SPD in allen Bundesländern dies für das Erststudium wieder abschaffen. Lediglich Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erheben Gebühren für das Zweitstudium, in Sachsen-Anhalt und Sachsen können dies die Hochschulen selbst festlegen.

Abgeschafft wurden die Studiengebühren, in Sachsen, Thüringen und Niedersachen wurden jedoch die Langzeitstudiengebühren beibehalten; in Bremen und Sachsen-Anhalt sind sie ab dem Wintersemester 2020/21 abgeschafft.

Ziel der Langzeitstudiengebühren war es, Studenten dazu zu bringen zügiger zu studieren und die Vorteile des Studentendaseins (Krankenkasse, Semesterticket, Steuerliche Vorteile) nicht auszunutzen.

Im Zuge der Bologna Reformen, mit ihren modular strukturierten Studiengängen, gibt es laut dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) deutlich weniger Studenten, die nicht in „angemessener Zeit“, also je nach Studiengang mit maximal drei Semestern über der Regelstudienzeit, ihr Studium abschließen[1].

Viele der noch existierenden Langzeitstudenten sind, wie ihre Studiengänge, Überbleibsel aus der Diplom-/Magisterstudienzeit. Gebühren scheinen hier jedenfalls nicht zu einem Abschluss zu führen.

Interessant hierbei ist auch, dass die Zahl der Langzeitstudenten je Bundesland schwankt. Ob das jeweilige Bundesland eine Langzeitstudiengebühr erhebt, scheint jedoch keine Rolle zu spielen. In Baden-Württemberg (mit Gebühren) liegt die Quote nicht höher als in Hamburg (ohne Gebühren). In Deutschland liegt die Zahl der Langzeitstudenten im Durchschnitt seit 2011 bei ca. 3-4% (Studenten mit 20+ Semestern).

Im Allgemeinen werden Langzeitstudenten auch gerne als „Bummelstudenten“ bezeichnet. Ein Begriff passend für die neoliberalen Nullerjahre in denen Arbeitslose es sich in Hängematten dekadent bequem machten und man lieber in alttestamentarischer Gepflogenheit straft anstatt hilft. Der Staat lässt sich dazu herab seinen Bürger ein Zeitkonto für das Studium zu kredenzen. Ein Geschenk, ganz eigennützig. Und wer es wagt dieses Geschenk zu verschludern, der bekommt die imaginäre Rute in Form von Geldstrafen. So sehen es auch heute noch viele in der Politik, insbesondere bei den „Schwarzen“[2] aber auch bei uns, der selbsternannten Bildungspartei.

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) hat untersucht, wer eigentlich Langzeitstudent wird und warum.[3] Der häufigste Grund sind finanzielle Probleme, so sind die meisten Langzeitstudenten vorher BAföG-Empfänger gewesen. Weitere häufige Gründe sind gesundheitliche Probleme, Nachwuchs, Auslandserfahrungen und Studienfach-/ort-Wechsel. Erst dann kommt die Ausnahme; der Student/In der/die es sich im Studium bequem gemacht hat und neben der normalen Tätigkeit noch die Vorzüge des Studentendaseins genießt.

Übrigens sagen eigentlich alle Hochschulen, dass genau diese Studenten kein Problem für sie darstellen, da sie keine Ressourcen im Hochschulalltag in Anspruch nehmen.

Auf Grund des Studienzeitkontos gibt es in Niedersachsen auch keine Möglichkeit sich offiziell für ein Teilzeitstudium einzuschreiben.

Ein Teilzeitstudium könnte es zB. Studenten, die auf Grund der Langzeitstudiengebühren ihr Studium abbrechen mussten, ermöglichen dieses neben der beruflichen Tätigkeit wieder aufzunehmen, ohne sich komplett in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen.

Denn Langzeitstudenten kommen überproportional aus ärmeren Schichten[4]. Und wie die letzte DIW Studie zur Vermögensverteilung gezeigt hat[5], besitzen über 50% der Deutschen im hochschulfähigen Alter nicht die finanziellen Mittel, um für ein erneutes Studium, aus dem Beruf auszusteigen. Die Möglichkeit eines berufsbegleitenden Studiums ist nur gegeben, wenn der Arbeitgeber einen Nutzen daraus ziehen kann und das Studium nichts weiter als eine Weiterbildung wäre. Eine Umorientierung, die so viel und häufig geforderte Flexibilität, ist damit nicht zu erreichen.

Und nicht nur der finanzielle Grund muss eine Rolle spielen. Gerade Alleinerziehende hätten durch ein offizielles Teilzeitstudium, ohne Langzeitgebühren, die Möglichkeit flexibel einen Studienabschluss zu erreichen, ohne Beruf und Familie zu vernachlässigen.

Ein häufig genannter Grund für die Langzeitstudiengebühren war damals auch, dass Langzeitstudenten Studienplätze für kommende Studenten blockieren würden. Auch dieses Argument zieht nicht mehr. Seit 2014 ist die Zahl der Studienanfängern an Hochschulen rückläufig, von einer „Studentenschwämme“ kann keine Rede mehr sein[6].

Auf Grund der Schülerzahlen wissen wir ebenfalls, dass sich die Anzahl der Studierenden nicht signifikant erhöhen wird, sondern in der nächsten Dekade sogar deutlich sinken wird.

Eher ist es so, dass wir in Deutschland jetzt schon einen Fachkräftemangel haben. Menschen in dieser Situation das Studium auf Grund einer Gebühr zu verwehren, ist nicht nur kurzsichtig, nein auch kontraproduktiv.

Bildung ist immer noch der Beste Schutz gegen Armut und der Beste Weg aus der Armut. Diesen Weg zu blockieren, weil man vor 20 Jahren sein Studienkonto aufgebraucht hat ist ebenfalls kontraproduktiv.

Das DSW sagt ganz klar: Helfen statt Strafen.

Wie könnte so ein Weg des Helfens aussehen?

Vollzeitstudium mind. 3 Module pro Semester

Teilzeitstudium 1-3 Module pro Semester (2 Module der Regelfall)

Teilzeitstudium: Semestergebühr 66% der Vollzeitgebühr, Möglichkeit der Ermäßigung durch ALG I/II, SGB XII

Studenten/Innen, die die Regelstudienzeit (Vollzeitstudium wie bisher/Teilzeitstudium: Regelstudienzeit*1,5) +4 Semester überschritten haben, müssen zur Studienberatung. Dort wird ein individueller Plan, der zum Studienabschluss führen soll, mit den Studierenden zusammen erstellt.

Dieser Plan wird zu jedem Semesterbeginn durch Leistungsnachweise/Teilnahmebescheinigungen bei nicht bestandenen Modulprüfungen/Praktikumsbescheinigungen überprüft.

Bei fortlaufender Nichteinhaltung des verabredeten Plans (keine Nachweise, Teilnahmebescheinigungen, etc.) können die Studenten exmatrikuliert werden.

So könnten Studenten ihr Studium ihren Lebensumständen entsprechend abschließen und die Universitäten könnten die Studenten, die nur die Vorzüge des Studierens ausnützen wollen, loswerden.

Die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren und Schaffung der Möglichkeit eines Teilzeitstudiums, beides zusammen wird es Menschen in Niedersachsen ermöglichen, sich selbstständig im Beruf weiter zu qualifizieren, trotz Alleinerziehung neben dem Job noch einen universitären Abschluss zu erreichen, Menschen die Möglichkeit zu geben einen beruflichen Neuanfang zu schaffen und die Zukunft selbstbestimmt zu gestalten.

Ganz im Sinne einer Bildungspartei.

[1] https://www.che.de/2018/mehr-abschluesse-in-der-regelstudienzeit/

[2]https://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/langzeitstudenten-niedersachsen-cdu-exmatrikulation-7992153.html

[3] https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/Langzeitstudiengebuehren.pdf

[4] https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/Langzeitstudiengebuehren.pdf

[5] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.679972.de/19-40-1.pdf, Seite 5, letzter Absatz

[6] https://www.datenportal.bmbf.de/portal/de/Tabelle-2.5.20.html

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme