15/I/2021 Infrastrukturpolitik – Den sozialen Zusammenhalt in Niedersachsen stärken

Status:
Annahme

Die SPD fordert eine deutliche Stärkung der sozialen Infrastrukturen in Niedersachsen. Hierzu müssen die Grundlagen der Daseinsvorsorge politisch so organisiert und vorgehalten werden, dass diese eine gute Versorgung aller ermöglichen.

Der Zustand der Daseinsvorsorge hat sich durch unterlassene Erhaltungsinvestitionen des Staates verschlechtert und ist zudem nicht mit den gestiegenen quantitativen und qualitativen Anforderungen gewachsen.

Auf Bundes- und Landesebene müssen Initiativen zur Stärkung der Daseinsvorsorge, insbesondere durch öffentliche Infrastrukturinvestitionen gestartet werden. Hierbei müssen insbesondere die kommunalen Investitionen gestärkt werden.

 

Begründung:

Unser aller Alltagsleben ist von infrastrukturellen Voraussetzungen abhängig, über die wir uns oft zu wenig im Klaren sind. Gesundheitsleistungen, Kitaplätze, Bildung in Schule und Hochschule, die Verfügbarkeit von Strom, Wasser, Wärme und Abfallentsorgung, der Zugang zu Straßen, ein Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, die Absicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und Altersgebrechen erfordern nach unserem Verständnis öffentliche Leistungen.

Die letzten Jahrzehnte standen unter einem neoliberalen Leitbild („marktgerechte Demokratie“ Angela Merkel), dass die staatlichen Investitionen auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften in Deutschland vernachlässigt hat. Selbstkritisch muss hier eingeräumt werden, dass ein großer Teil der neoliberalen „Modernisierung“ auch in sozialdemokratischer Verantwortung erfolgte (Stichwort: Agenda 2010). Dieses marktradikale, individualistische Gesellschaftskonzept zeigt in den letzten Jahren seine Schwächen. In Krankenhäusern steht Gewinnorientierung vor Patientenwohl. Ein regional ausgewogenes Angebot an Infrastruktur verschärft die Spaltung zwischen Stadt und Land (z.B. Breitband, ÖPNV, Ärzte, Schulen, Bibliotheken, Kultur). Auch in den Städten treibt die marktorientierte Wohnungspolitik die Spaltung zwischen Hoch- und Niedrigeinkommensbeziehern voran (steigende Mieten, Privatisierung). Mit der Ausdünnung sozialer und kultureller öffentlicher Dienstleistungen verschärfen sich auch innerstädtische Spaltungstendenzen.

Statt der im Mai 2019 von der Bundesregierung vorgelegten „Schlussfolgerungen (…) zur Arbeit der Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘“ (gem. Art. 72 GG) schreitet die räumliche und soziale Spaltung der Gesellschaft voran. Dies ist ein fruchtbarer Boden für Verunsicherungen und Rechtspopulismus in allen sozialen Schichten.

Kern sozialdemokratischer Werte ist die soziale Gerechtigkeit. D.h. die Ermöglichung von grundsätzlich gleichberechtigter Teilhabe aller am sozialen Leben in Deutschland. Heute stellen wir fest, dass der Markt diese Ziele in vielen Bereichen nicht befriedigend löst. Es erfordert daher eine Rückkehr zu einer starken Betonung der Sozialstaatspflicht.

Das Konzept der Daseinsvorsorge bezieht sich auf gesellschaftlichen Aufgaben, deren Bereitstellung für ein jeweils angemessenes Leben in der Gesellschaft wesentlich ist und das individuell nicht organisiert werden kann. Es sind dies:

  • Ver-/Entsorgung (Elektrizität, Gas, Wasser, Abwasser, Abfall, Straßenreinigung)
  • Brand- und Katastrophenschutz, Rettungswesen
  • Gesundheit (Krankenhäuser, ambulante Versorgung, Vor- und Nachsorge, Pflege)
  • Post-, Verkehrs- und Beförderungswesen (Schienen, Straßen, Wasserstraßen, Luftverkehr)
  • Geld- und Kreditversorgung (flächendeckender, diskriminierungsfreier Zugang)
  • Nachrichtenwesen (öffentlich-rechtlicher Rundfunk), Telekommunikation/Internet
  • Wohnungswirtschaft
  • Bildung und Erziehung (Kita, Schule, Berufsbildung, Hochschulen)
  • Forschung

Diese Liste definiert sich politisch und variiert im Zeitverlauf. Die Diskussion um die Privatisierung der Bahn oder von Krankenhäusern oder die Bereitstellung von Wohnraum zeigt die Veränderlichkeit der staatlichen Rolle in der Daseinsvorsorge. Hinzu tritt der große Bereich der Öffentlichen Ordnung (Sicherheit (Polizei, Aufsichtsbehörden (Finanzen, Lebensmittel, Gewerbe, …)), Recht und Rechtsordnung (Justiz), …) dessen Gewährleistung heute oftmals kritisch gesehen werden muss (unbesetzte Richterstellen, Dauer von Gerichtsverfahren, Genehmigungsprozesse).

In diesen Bereichen besteht eine politische Verantwortung des Staates öffentliche Leistungen anzubieten oder einen Marktrahmen zu schaffen, um ein ausreichendes Angebot und einen diskriminierungsfreien Zugang der Menschen zu angemessenen Preisen zu gewährleisten.

Der schlechte Zustand verschiedener Infrastrukturen und eine Wahrnehmung von Politik und Verwaltung als „organisierte Unverantwortlichkeit“ schüren Politik- und Demokratieverdrossenheit.

Die dysfunktionalen Marktergebnisse in der Daseinsvorsorge haben die Erwartungen der Menschen in die Politik gestärkt. Politik muss diese gestalterische Verantwortung nun auch annehmen und Entscheidungen treffen. Neben der gestiegenen Verantwortung von Politik und Staat muss aber auch die Bereitstellung entsprechender Ressourcen stehen. Nach einer Phase der Steuersenkungen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, erheblichen Problemen in der Steuergerechtigkeit (Steuervermeidung, -hinterziehung, -betrug (cum-ex)) und einer zunehmenden Spreizung der Einkommen und Vermögen muss auch über die Stärkung der staatlichen Finanzen durch sozial gerechtere Steuermehreinnahmen diskutiert werden (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuern, Besteuerung internationaler Unternehmen).

Zur Stärkung der Demokratie treten auch Möglichkeiten weitergehender zivilgesellschaftlicher Einbindungen betroffener Bevölkerungsgruppen in die Ausgestaltung der verschiedenen Bereiche der Daseinsvorsorge (Anhörungen, Mitbestimmungsstrukturen, …).

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Die SPD fordert eine deutliche Stärkung der sozialen Infrastrukturen in Niedersachsen. Hierzu müssen die Grundlagen der Daseinsvorsorge politisch so organisiert und vorgehalten werden, dass diese eine gute Versorgung aller ermöglichen.

Der Zustand der Daseinsvorsorge hat sich durch unterlassene Erhaltungsinvestitionen des Staates verschlechtert und ist zudem nicht mit den gestiegenen quantitativen und qualitativen Anforderungen gewachsen.

Auf Bundes- und Landesebene müssen Initiativen zur Stärkung der Daseinsvorsorge, insbesondere durch öffentliche Infrastrukturinvestitionen gestartet werden. Hierbei müssen insbesondere die kommunalen Investitionen gestärkt werden.

 

Beschluss-PDF: