7/I/2021 Inklusion - unser Plan für Niedersachsen

Status:
Annahme

Am 24. Februar 2009 hat Deutschland die UN Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Damit ist Inklusion seit zehn Jahren ein Menschenrecht.

In zehn Jahren kann viel passieren. Vor zehn Jahren wurde Barack Obama Präsident der USA. Vor zehn Jahren wurde der VfL Wolfsburg Deutscher Meister. Vor zehn Jahren war Abwrackprämie das Wort des Jahres.

In zehn Jahren ist in Deutschland viel passiert. Bei der Inklusion leider nicht so viel wie eigentlich nötig wäre, um ein Menschenrecht vollumfänglich umzusetzen.

Förderschulen werden erhalten und ausgebaut statt abgebaut. Der erste Arbeitsmarkt scheint noch immer unerreichbar für viele Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Freizeitgestaltung ist geprägt von Bittstellungen und Ablehnungen.

Wenn Inklusion ein Menschenrecht sein soll, dann muss die Politik auch entsprechend handeln. Hierzu fordern wir in verschiedenen Bereichen verschiedene Maßnahmen.

Kindertageseinrichtungen:

Alle Kindertageseinrichtungen müssen Kinder mit Beeinträchtigungen aufnehmen und inklusiv arbeiten. Alle noch bestehenden rein heilpädagogischen Einrichtungen müssen in inklusive Einrichtungen überführt werden.

In jeder Gruppe muss mindestens ein*e Heilerziehungspfleger*in (oder vergleichbare Qualifikation mit Hauptaugenmerk auf die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen) arbeiten. Heilpädagogik muss aber auch ein Aspekt der Erzieher*innenausbildung werden.

Kein Kind darf wegen pflegerischem oder pädagogischem Mehraufwand die Aufnahme in die Kindertageseinrichtung verweigert werden, im Zweifel hat das Kind das Recht auf eine pädagogische oder pflegerische Fachkraft, die das Kind im Kindergartenalltag begleitet und unterstützt.

Schule:

Grundsätzlich wollen wir die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems sowie kleinere Klassen.

Bis dahin und darüber hinaus müssen alle Schulen Kinder mit Beeinträchtigungen aufnehmen und inklusiv arbeiten. Alle Förderschulen und insbesondere die Tagesbildungsstätten, die nur in Niedersachsen bestehen, müssen aufgelöst werden. Die dann frei werdenden Räume können als Schulen genutzt werden.

In jeder Klasse muss mindestens ein*e Sonderpädagog*in zusätzlich zu den Fachlehrkräften vorgehalten sein. Sonderpädagogik muss aber auch ein verpflichtender Teil des allgemeinen Lehramtsstudiums werden, um auch die Fachlehrkräfte optimal auf die Arbeit vorzubereiten.

Bereits fertig ausgebildete Lehrer müssen ein breites Fortbildungsangebot erhalten, um sie für die inklusive Arbeit zu befähigen. Die Teilnahme an diesen Fortbildungsmaßnahmen ist den Lehrkräften mit dem üblichen Stundenlohn zu vergüten und in einem gewissen Umfang verpflichtend.

Kein*e Schüler*in darf wegen pflegerischem oder pädagogischem Mehraufwand die Aufnahme in die Schule verweigert werden, im Zweifel hat der*die Schüler*in das Recht auf eine pädagogische oder pflegerische Fachkraft, die den*die Schüler*in im Schulalltag begleitet und unterstützt.

Arbeit:

Die Anreize für Arbeitgeber*innen, einen Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen, müssen erhöht werden. Gleichzeitig müssen auch die Strafen, die gezahlt werden müssen, wenn die Quote schwerbehinderter Arbeitnehmer*innen nicht erfüllt wird, erhöht werden.

Für alle Schüler*innen, insbesondere für Schüler*innen, die im derzeitigen System eine Förderschule besuchen, müssen mehr Möglichkeiten für Praktika auf dem ersten Arbeitsmarkt im Rahmen der Schulbildung geboten werden, um Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Aufklärung der Gesellschaft hinsichtlich Menschen mit Behinderungen, da viele so gut wie keine Berührungspunkte mit ihnen haben, was die soziale Inklusion am Arbeitsplatz erschwert.

Der Übergang in den ersten Arbeitsmarkt muss durch eine öffentliche Stelle gefördert werden. Beispielhaft ist hier der Landschaftsverband Westfahlen-Lippe mit seinem Inklusionsamt Arbeit, das Menschen aus Werkstädten für behinderte Menschen (WfbM) in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.

Berufliche Ausbildungen müssen Menschen mit Beeinträchtigungen einfacher zugänglich gemacht werden, ob über pflegerische oder pädagogische Begleitung durch eine Fachkraft oder eine längere Ausbildungsdauer. Gleiches gilt für ein Studium.

Wohnen:

Selbstbestimmte Wohnformen müssen gefördert werden, um von der jetzigen Form der hauptsächlich stationären Unterbringung und Unterstützung zu einem ambulanten Unterstützungsnetz in selbstbestimmter, ressourcenorientierter Form zu kommen.

Außerdem muss das barrierefreie Wohnen gefördert und zum Standard werden. Hierzu müssen weitere gesetzliche Grundlagen geschaffen und das BauGB überarbeitet werden, sodass die Richtlinien streng und flächendeckend durchgeführt werden.

Es wird ein höherer, gesetzlich festgelegter, prozentualer Anteil an barrierefreiem Wohnraum benötigt. Sowohl für älter werdende Menschen als auch für Menschen mit Beeinträchtigungen. Beide Gruppen sollen so lange und so gut wie möglich selbstbestimmt leben können. Hierzu muss insbesondere der soziale Wohnraum barrierefrei gebaut werden.

Freizeit:

Behörden, Ämter und öffentliche Einrichtungen (z.B. städtische Jugendzentren) müssen mobilitäts-, informations- und kommunikationsbarrierefrei arbeiten. Hierzu müssen neben angemessenen Rampen und Fahrstühlen auch beispielsweise der Internetauftritt, Informationsblätter und persönliche Anschreiben in leichter Sprache zur Verfügung stehen.

Veranstalter*innen von öffentlichen Ereignissen müssen Anreize zur Organisation von barrierefreien Formaten geboten werden, um ein möglichst inklusives Erlebnis für alle Interessierten zu gestalten.

Für uns ist selbstverständlich, dass Personen, die mit Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten und sich professionell für die Inklusion einsetzen, eine bessere und vor allem der Arbeit, die sie leisten, angemessene Vergütung erhalten müssen. Pflege- und Heimkinder sind von Kosten ihrer Unterbringung befreien.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Am 24. Februar 2009 hat Deutschland die UN Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Damit ist Inklusion seit zehn Jahren ein Menschenrecht.

In zehn Jahren kann viel passieren. Vor zehn Jahren wurde Barack Obama Präsident der USA. Vor zehn Jahren wurde der VfL Wolfsburg Deutscher Meister. Vor zehn Jahren war Abwrackprämie das Wort des Jahres.

In zehn Jahren ist in Deutschland viel passiert. Bei der Inklusion leider nicht so viel wie eigentlich nötig wäre, um ein Menschenrecht vollumfänglich umzusetzen.

Förderschulen werden erhalten und ausgebaut statt abgebaut. Der erste Arbeitsmarkt scheint noch immer unerreichbar für viele Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Freizeitgestaltung ist geprägt von Bittstellungen und Ablehnungen.

Wenn Inklusion ein Menschenrecht sein soll, dann muss die Politik auch entsprechend handeln. Hierzu fordern wir in verschiedenen Bereichen verschiedene Maßnahmen.

Kindertageseinrichtungen:

Alle Kindertageseinrichtungen müssen Kinder mit Beeinträchtigungen aufnehmen und inklusiv arbeiten. Alle noch bestehenden rein heilpädagogischen Einrichtungen müssen in inklusive Einrichtungen überführt werden.

In jeder Gruppe muss mindestens ein*e Heilerziehungspfleger*in (oder vergleichbare Qualifikation mit Hauptaugenmerk auf die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen) arbeiten. Heilpädagogik muss aber auch ein Aspekt der Erzieher*innenausbildung werden.

Kein Kind darf wegen pflegerischem oder pädagogischem Mehraufwand die Aufnahme in die Kindertageseinrichtung verweigert werden, im Zweifel hat das Kind das Recht auf eine pädagogische oder pflegerische Fachkraft, die das Kind im Kindergartenalltag begleitet und unterstützt.

Schule:

Grundsätzlich wollen wir die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems sowie kleinere Klassen.

Bis dahin und darüber hinaus müssen alle Schulen Kinder mit Beeinträchtigungen aufnehmen und inklusiv arbeiten. Alle Förderschulen und insbesondere die Tagesbildungsstätten, die nur in Niedersachsen bestehen, müssen aufgelöst werden. Die dann frei werdenden Räume können als Schulen genutzt werden.

In jeder Klasse muss mindestens ein*e Sonderpädagog*in zusätzlich zu den Fachlehrkräften vorgehalten sein. Sonderpädagogik muss aber auch ein verpflichtender Teil des allgemeinen Lehramtsstudiums werden, um auch die Fachlehrkräfte optimal auf die Arbeit vorzubereiten.

Bereits fertig ausgebildete Lehrer müssen ein breites Fortbildungsangebot erhalten, um sie für die inklusive Arbeit zu befähigen. Die Teilnahme an diesen Fortbildungsmaßnahmen ist den Lehrkräften mit dem üblichen Stundenlohn zu vergüten und in einem gewissen Umfang verpflichtend.

Kein*e Schüler*in darf wegen pflegerischem oder pädagogischem Mehraufwand die Aufnahme in die Schule verweigert werden, im Zweifel hat der*die Schüler*in das Recht auf eine pädagogische oder pflegerische Fachkraft, die den*die Schüler*in im Schulalltag begleitet und unterstützt.

Arbeit:

Die Anreize für Arbeitgeber*innen, einen Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen, müssen erhöht werden. Gleichzeitig müssen auch die Strafen, die gezahlt werden müssen, wenn die Quote schwerbehinderter Arbeitnehmer*innen nicht erfüllt wird, erhöht werden.

Für alle Schüler*innen, insbesondere für Schüler*innen, die im derzeitigen System eine Förderschule besuchen, müssen mehr Möglichkeiten für Praktika auf dem ersten Arbeitsmarkt im Rahmen der Schulbildung geboten werden, um Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Aufklärung der Gesellschaft hinsichtlich Menschen mit Behinderungen, da viele so gut wie keine Berührungspunkte mit ihnen haben, was die soziale Inklusion am Arbeitsplatz erschwert.

Der Übergang in den ersten Arbeitsmarkt muss durch eine öffentliche Stelle gefördert werden. Beispielhaft ist hier der Landschaftsverband Westfahlen-Lippe mit seinem Inklusionsamt Arbeit, das Menschen aus Werkstädten für behinderte Menschen (WfbM) in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.

Berufliche Ausbildungen müssen Menschen mit Beeinträchtigungen einfacher zugänglich gemacht werden, ob über pflegerische oder pädagogische Begleitung durch eine Fachkraft oder eine längere Ausbildungsdauer. Gleiches gilt für ein Studium.

Wohnen:

Selbstbestimmte Wohnformen müssen gefördert werden, um von der jetzigen Form der hauptsächlich stationären Unterbringung und Unterstützung zu einem ambulanten Unterstützungsnetz in selbstbestimmter, ressourcenorientierter Form zu kommen.

Außerdem muss das barrierefreie Wohnen gefördert und zum Standard werden. Hierzu müssen weitere gesetzliche Grundlagen geschaffen und das BauGB überarbeitet werden, sodass die Richtlinien streng und flächendeckend durchgeführt werden.

Es wird ein höherer, gesetzlich festgelegter, prozentualer Anteil an barrierefreiem Wohnraum benötigt. Sowohl für älter werdende Menschen als auch für Menschen mit Beeinträchtigungen. Beide Gruppen sollen so lange und so gut wie möglich selbstbestimmt leben können. Hierzu muss insbesondere der soziale Wohnraum barrierefrei gebaut werden.

Freizeit:

Behörden, Ämter und öffentliche Einrichtungen (z.B. städtische Jugendzentren) müssen mobilitäts-, informations- und kommunikationsbarrierefrei arbeiten. Hierzu müssen neben angemessenen Rampen und Fahrstühlen auch beispielsweise der Internetauftritt, Informationsblätter und persönliche Anschreiben in leichter Sprache zur Verfügung stehen.

Veranstalter*innen von öffentlichen Ereignissen müssen Anreize zur Organisation von barrierefreien Formaten geboten werden, um ein möglichst inklusives Erlebnis für alle Interessierten zu gestalten.

Für uns ist selbstverständlich, dass Personen, die mit Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten und sich professionell für die Inklusion einsetzen, eine bessere und vor allem der Arbeit, die sie leisten, angemessene Vergütung erhalten müssen. Pflege- und Heimkinder sind von Kosten ihrer Unterbringung befreien.

 

Beschluss-PDF: