20/I/2021 Unternehmer*innenhaftung in der Paketdienst-Branche

Status:
Erledigt

Die SPD beschließt, dass es eine Gesetzgebung braucht, die eine Unternehmer*innenhaftung bei Verstößen gegen Arbeitsrecht und Mindestlohngesetz vorsieht. Dadurch liegt die Verantwortung einer gerechten Bezahlung bei den Paketkonzernen, statt bei den Subunternehmer*innen. Einen ähnlichen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung 2017 für die Fleischindustrie verabschiedet. Dort gibt es eine geltende Unternehmer*innenhaftung, die vorsieht, dass Schlachtunternehmen für Verfehlungen ihrer Subunternehmer*innen in Regress genommen werden. Dieses Modell würde in der Paketbranche ebenfalls für eine nachhaltig positive Entwicklung sorgen. Eine engmaschige Kontrolle auch nach Verabschiedung eines Gesetzes ist allerdings unerlässlich.

 

Begründung:

Die Zahl der Sendungen, die in Deutschland von Kurier-, Express und Paketdiensten (kurz KEP) im Jahr 2018 zugestellt wurden beträgt ca. 3,5 Milliarden. Diese Zahl steigt, mit einer Ausnahme, in jedem Jahr seit der Jahrtausendwende. Prognostiziert wird ein weiterer Anstieg bis 2022 auf 4,3 Milliarden Sendungen pro Jahr. Die KEP-Branche befindet sich in einem Aufschwung, dessen Ende noch nicht in Sicht ist. Aus diesem Grund muss eine sozialdemokratische Politik das Ziel haben, faire Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und Löhne für Paketzuliefer*innen zu sichern.

Die großen Paketdienste in Deutschland (DHL, DPD, Hermes, GLS, etc.) nehmen zur Zustellung ihrer Sendungen allesamt Subunternehmer*innen unter Vertrag. Diese Subunternehmer*innen koordinieren die Auslieferungen und stellen das Personal, mitunter auch die Zulieferungsfahrzeuge. Eine Reihe in Deutschland agierender Subunternehmer*innen streben Gewinnmaximierung durch billige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen an. Betroffen davon sind meistens osteuropäische Arbeitnehmer*innen, die in Deutschland arbeiten, um ihre Familien in der Heimat zu ernähren. Diese sprechen meistens kein, oder nur sehr gebrochenes, Deutsch und sind dementsprechend nicht in der Lage sich den Rechtsstaat vollends zunutze zu machen, um gegen dieses kriminelle System vorzugehen.

Bei einigen Subunternehmer*innen sind Arbeitstage von bis zu 14 Stunden für ihre Angestellten die Norm. Abgerechnet wird dabei ein festes Monatsgehalt, welches allerdings nur 40 Stunden in der Woche vorsieht. Dieses kriminelle Vorgehen wurde in einem „SZ“-Artikel vom 15. Dezember 2017 treffend an einem Beispiel eines Arbeitstages des rumänischen DPD-Paketfahrers, Iurie Popescu, veranschaulicht:

„Morgens um halb vier geht es los. Popescu lädt Pakete aus, scannt im Depot in eisiger Kälte Pakete ein, belädt seinen weißen Lieferwagen neu, den DPD seinem Arbeitgeber, einem Subunternehmen, zur Verfügung gestellt hat. Erst um halb neun beginnt seine Tour, 70 Kilometer lang mit etwa 115 Stopps. Im Durchschnitt liefert er jeden Tag 200 Pakete ab. Gegen 18 Uhr ist sein Arbeitstag zu Ende, wenn die Retouren und Päckchen von Firmen abgeholt sind. Da Popescu auch samstags arbeitet, kommt er leicht auf 75 Stunden pro Woche. In Wirklichkeit verdient er also nicht den Mindestlohn, sondern etwa fünf Euro [pro Stunde].“

Beim Aufwiegen tatsächlich geleisteter Arbeitsstunden und dem ausgezahlten Lohn ergeben sich also häufig Stundenlöhne von weniger als 6,- €. Die meisten Fahrzeuge besitzen kein GPS-Tracking, was es schwierig macht eine externe Nachverfolgung von Lieferwegen und tatsächlichen Arbeitszeiten der Fahrer*innen vorzunehmen. Darüber hinaus ist es üblich Angestellt*innen, die sich über Arbeitszeiten und -bedingungen beschweren mit einer Kündigung zu drohen.

Wieso gibt es aus der Arbeitnehmer*innenschaft der Paket-Branche nicht mehr Gegenwehr? Wie bereits angesprochen sind es meistens osteuropäische Arbeiter*innen, die Opfer der Ausbeutung durch Subunternehmer*innen werden. Die Löhne – auch wenn sehr niedrig – übersteigen dennoch das Durchschnittsgehalt von Paketzuliefenden in Ländern wie Rumänien und Bulgarien. Deswegen werden diese Bedingungen häufig in Kauf genommen. Wer allerdings in Deutschland beschäftigt ist, muss zwingend nach geltendem Mindestlohngesetz bezahlt werden.

Einige große Paketkonzerne verpflichten ihre Subunternehmer*innen vertraglich zur Schadensübernahme bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz. Damit entziehen diese sich der Verantwortung und der Aufgabe, bei der Paketzustellung für gerechte Arbeitsbedingungen zu sorgen. Bei Verstößen können Bußgelder bis zu 500.000, – € anfallen. Auf Anfrage der ARD zu diesem Sachverhalt äußerte sich die DHL wie folgt: „Werden Tatsachen bekannt, die gesetzeswidrig sind, behalten wir uns die fristlose Kündigung [der Subunternehmer*innen] vor. Ein direkter Eingriff in die Lohnstruktur der Servicepartner[*innen] ist jedoch nicht möglich, da es sich um selbstständige Unternehmen handelt, …“ Hier wird deutlich, dass die komplette Verantwortung auf die Subunternehmer*innen abgewälzt wird und ein Handeln von Seiten der Paketdienste nur notwendig wird, wenn Missstände bereits aufgedeckt wurden. Diese Umstände sind weit entfernt vom Idealzustand.

Darüber hinaus üben diese Strukturen enormen Druck auf Subunternehmer*innen aus, die ihre Angestellten fair behandeln und entlohnen. Durch Einsparnisse im Personalbereich können die Preise für Zustellungen so gedrückt werden, dass dadurch ein eindeutiger Marktvorteil entsteht.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt durch Regierungshandeln